13.07.2003
Der Verkehrtflügelkröpfer
Diese mit starken Latschen
ausgerüstete, schlanke und mittelhohe Kröpferrasse ist vermutlich
in Thüringen entstanden, wo die bereits 1795 von Bechstein erwähnte
Flügeltaube so bekannt war, daß sie zum Namen dieser Kröpfertaube
beigetragen hat. Während diese allein farbige Flügel und weiße
Schulterdecken hat, bei sonst weißem Gefieder, ist der Kröpfer
verkehrtherum gezeichnet, weil bei ihm im Gegensatz die Flügel
weiß und die Schulterfittichfedern farbig sind. Fußbefiederung und
die farbige Schnippe besitzen beide Rassen. Über die
Entstehungsgeschichte des Verkehrtflügelkröpfers ist in Wittigs
Muster-Taubenbuch überzeugendes zu finden, da hier ein
erfolgreicher Züchter Wort kommt, der vor 1910 durch zigjährige
Kreuzungs,- und Zuchtbemühungen die führenden Tauben dieser Rasse
erreichte. Danach ist eine Abart eines niedrig gestellten
Elsterkröpfers, die es in Blau und Gelb gab, von plumper Figur und
mit bestrumpften Füßen, mit dem farbigen Pommerschen und Englischen
Kröpfer gekreuzt worden. Durch Einkreuzungen mit dem Französischen
Kröpfer gelang es zuerst die
richtige Form und die heutige Fußbefiederung herauszuzüchten, es
dauert aber lange bis die Farbe verbessert werden konnte, diese war
vorerst nicht so wichtig.
In seinen Rassemerkmalen steht der Verkehrtflügelkröpfer zwischen seinen Ahnen. Er ist Groß und von imposanter Erscheinung. Hochgestellt und aufrechtstehend bei einer Länge von 42 bis 44 cm, mit etwas hervortretenden Schenkeln, die Beinstellung ist etwas breiter als beim Englischen Kröpfer. Die Standhöhe soll 12 bis 14 cm betragen, mit lang und vollständig belatschten Füßen und gut befiederten Schenkeln, die zur ausgeprägten Geierferse verlängert sind. Der Kropf soll, im Gegensatz zu den eigentlichen Großkröpfern, nicht kugelig sein, sondern mehr länglich, wohl breit aber birnenförmig und sich auch bei Seitenansicht von der Brust deutlich absetzen, so das die Taube in der Taille verjüngt oder leicht eingeschnürt erscheint. Im ganzen ist diese Kröpferrasse schmaler, eleganter, trotz der langen Fußbefiederung, als etwa der Pommersche Kröpfer aber wiederum etwas kräftiger als der Englische. Der Verkehrtflügelkröpfer nimmt halt eine vermittelnde Stellung ein.
Vom Oberrücken zum Schwanz fällt der Körper in gerader Linie ab und die Schwanzfedern sind kürzer und weniger breit als bei den sonstigen Großkröpfern.
An Farben sind Schwarz, Blau, Rot und Gelb anerkannt und sollen glanzreich sein. Das Farbmuster stellt eine leichte Abwandlung der Elsternscheckung dar: Bei weißer Grundfarbe sind die Kopfplatte farbig, ebenso der Hals, die Schultern und Brust, der Rücken und Schwanz mit dem Keil. Ein etwa 1 cm breiter weißer Streifen trennt die farbige Kopfplatte vom farbigen Gefieder des Vorderkörpers.
In der Zucht gibt dieser Kröpfer manches Kopfzerbrechen und ist eine schwere Aufgabe. Um den dunklen Oberschnabel zu festigen, der beim schwarzen und blauen Farbenschlag Bedingung ist, muß der Züchter Tiere mit möglichst voller Kopfplatte anpaaren, die mithin Farb- überschuß besitzen. Weißköpfige schwarze Tiere sind zur Zucht nicht geeignet. Den hellen Unterschnabel kann der Züchter erhalten, wenn Tiere von der Zucht ausgeschlossen werden bei denen schwarze Federn der Kopfplatte Mücke in das Weiß der Kopffarbe vordringt. Das trifft auch für den blauen Farbenschlag zu. Bei den Roten und Gelben, die helle Schnäbel haben sollen, ist es einfacher, hier genügt es ein weißköpfiges Tier hin und wieder einzustellen. Hierdurch wird auch gleichzeitig erreicht, daß die öfter auftretende übergroße farbige Kopfplatte auf die gewünschte Größe zurück geführt wird und die bei den Roten störenden farbigen Nasen und fleckigen Oberschnäbel verschwinden.
Als Nachwirkung der Kreuzung mit Englischen Kröpfern treten zuweilen statt der dunklen Augen aber Perlaugen auf. Hier ist die Rückkreuzung an ein dunkeläugiges Elterntier der F 1 Linie zu empfehlen.
Vorbedingung für einen schönen, vollblasenden Kropf ist ein langer Hals. Um ihn zu erzielen, muß die Täubin einen möglichst ausgebildeten Kropf haben. Die gewünschte edle Form ist dann verwirklicht, wenn der Kropf lang ist und sich allmählich zum Kopf hin immer runder ausdehnt.
In der Entwicklung, die diese Rasse in den letzten Jahren genommen hat, deutet sich wie auch bei anderen Rassen eine gewisse Gefahr an, die der Wirtschaftlichkeit Abbruch tut. Das Bestreben, den Rumpf zu verkürzen, führt nicht nur dazu, daß die Schwingen keinen rechten Halt mehr finden, statt auf den Rücken zu ruhen, sich aber überkreuzen, sondern beeinträchtigen auch stark das Fortpflanzungsvermögen. Es kann immer wieder vor Übertragen gewarnt werden, genaue Aufzeichnungen und Zuchtbuchführung sollte eines jeden Verkehrtflügelkröpferzüchter Pflicht sein. Die hohe Stellung und reiche Fußbefiederung hindert nicht die Verpaarung zweier gleich gearteter reich befiederter Tiere. Es können aus solcher Verpaarung auch schwach befiederte Jungtiere hervorgehen, deshalb ist eine gewissenhafte Aufzeichnung wichtig.
Über die Farbintensität eines Tieres gibt die Farbe im Unterschwanz und Rücken Auskunft, ist sie dort satt und rein, besteht keinerlei Bedenken für die gesamte Färbung. Bei den Roten und Gelben macht sich der weiße Keil als grober Fehler störend bemerkbar, solche Tiere sollten grundsätzlich nicht zur Zucht eingesetzt werden, da dieser sehr stark vererblich ist. Rot und Gelb sollten zur gegenseitigen Auffrischung nur dann miteinander verpaart werden, wenn die Tiere bis in die Schwanzspitze, auch Ortfedern durchgefärbt sind. Unter den Farbenschlägen ist der schwarze zur Zeit führend, bei den anderen fehlt es oft an Größe.
Der Verkehrtflügelkröpfer ist ein eleganter, imposant anzuschauender Kröpfer mit zutraulichen Eigenschaften. Zum Halten dieser Rasse ist aber ausreichend Platzgröße notwendig. Für unser Ausstellungswesen ist der Kröpfer eine Bereicherung.
Hermann Bormann